Dienstag, 10. November 2009

Gedankenspiele


Schon mein Klassenlehrer Hausladen (der Name klingt auch 20 Jahre spaeter noch bescheuert) pflegte zu sagen: Bernd, Du denkst zu viel.
Jetzt, in den heissen Monaten des Jahres kurz vor Beginn der Regenzeit, ist es ruhig in der Lodge. Die Angestellten am Empfang, Kueche und Servicekraefte sorgen fuer eine reibungslose Betreuung der wenigen Gaeste. Mir bleibt genuegend Zeit, um ueber das Leben als Reisender in Afrika nachzudenken. Auch die Hippos haben alle Zeit der Welt, um ueber ihr faules Leben nachzudenken:

Ich las Berichte von Transafrikareisenden, die sich als Helden praesentieren. Sie zogen aus, um den Kontinent in einer ruhmreichen Schlacht auf ihren Motorraedern zu bezwingen. Andere rasen durch Afrika mit vollstaendiger Fokussierung auf das Reiseziel (meist Kapstadt). Jede ungeplante Verzoegerung unterwegs sorgt fuer Aerger und Verdruss. Ich habe daraus gelernt und sehe Verzoegerungen wie das stundenlange Anstehen an der einzigen Tankstelle die Benzin hat oder das tagelange Warten auf ein Ersatzteil (Landrovergetriebe), nicht mehr als Verzoegerung der Reise. Solche Ereignisse SIND die Reise und sie fuehren meist zu wertvollen Begegnungen mit Menschen. Wiederum andere reisen bedaechtig durch die Laender. Sie nehmen sich in aller Gemuetsruhe Zeit fuer Menschen, Wildlife und Landschaften. Malawi machte mich zum Angehoerigen dieser Reisegruppe.
Nicht mehr Urlauber zu sein, sondern im Land nen Job zu haben aendert Vieles. Der Schleier des exotischen, urspruenglichen, wilden Afrikas lueftet sich und macht einem normalen alltaeglichen Afrika Platz:
Die Herde Elefanten, die mir bei der Fahrt aus dem Nationalpark den Weg blockiert, wirkt nur wenig faszinierend auf mich, da ich ja zum einkaufen muss. Das wuselige Treiben auf den Strassen Richtung Lilongwe, wo Menschen alles moegliche Getier auf Raedern transportieren, Kids gebratene Tausendfuessler feilbieten, Frauen schwere Lasten kilometerlange Strecken auf dem Kopf balancieren, Leute buendelweise Huehner kopfueber an den Fuessen haltend zum Markt schleppen, wo Metzger ihre frisch geschlachtete Ware „in ganzen Stuecken“ an Huetten haengend zum Verkauf anbieten – diese typische „African Streetlife“ sorgt bei mir nicht mehr fuer unglaeubiges Staunen, da im Moment die Lodge-Einkaufsliste wichtiger ist. Waren es 5 oder 10 Kilo Rindfleisch, die ich besorgen muss?
Spaetestens seit ich mich mit Malawiern angefreundet habe, empfinde ich auch deren Doerfer nicht mehr als exotisch fremd. Die schilfbedeckten Lehmhuetten und einfachen Haeuser mit Wellblechdaechern, sind zu einer normalen Erscheinung geworden. Beeindruckend bleiben die stuermischen Begruessungen der Kinderhorden, wenn ich zu Besuch komme.
Peter wuerde diese Veraenderung vom „Exotischen“ zum „Normalen“ als Afrikanisierung bezeichnen.
Wo versteckt sich also das grosse Abenteuer einer Transafrikareise, fuer die angeblich so viel Mut erforderlich ist?
Auf Sicherheits- und Komfortaspekte bezogen, ist es aehnlich wie in Europa zu reisen. Ich kann von Campingplatz zu Campingplatz reisen und werde dort immer nen aehnlichen Standard und aehnliche Reisende wie in Europa antreffen. Nach 2 Monaten on the road bleibt die Erkenntnis, dass es Mut einzig und allein dafuer erfordert, die Reise zu beginnen.
Das schreibe ich wohlwissend, dass mir die schlimmsten Pisten der Reise in Nordkenia und Buerokratiewahnsinn im Sudan und in Aegypten noch bevorstehen :-)
Als Kfz-Meister war Peter so ne Art Beruhigungspille fuer etwaige technische Pannen. Spaetestens seit ich auf der Lodge arbeite, bin ich diesbezueglich wieder gelassener geworden, da es fuer jedes Problem eine afrikanische Loesung gibt. Afrikanische Loesungen zeichnen sich durch 3 Dinge aus:
Improvisieren, improvisieren, improvisieren.
Da kann es dann schon mal 2 Tage Arbeit bedeuten bis ne Toilettenspuelung wieder funktioniert, weil ich aus alten Autoschlaeuchen neue Dichtungen basteln muss. Nach vollbrachtem Werk hab ich mir dafuer ein Toilettendiplom verdient (Master of the Loo).
Gibt’s mal so schlimme technische Probleme an der BMW, dass eine komplette Motorradhaelfte entfernt werden muesste – was solls! Die afrikanische Loesung wuerde bedeuten vor die verbleibende Haelfte 2 Ochsen zu spannen – es koennen dann sogar noch ein paar Kilo Bananen transportiert werden.

Ich kann derzeit ueber eine deutsche Festnetznummer abends ab 18 Uhr in Malawi erreicht werden: 02241 917345. Wer mich anruft, fuer den entstehen nur die Kosten des Anrufs auf die deutsche Festnetznummer.
Gedankliche Gruesse
Bernd

Keine Kommentare: